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Meine Beiträge

von Angela Steinert 12. November 2019
I c h habe meine Ausbildung zur "Trainerin für Freiheitliche Bodenarbeit" bei Susanne E. Schwaiger absolviert. Ein Champagnermoment! Ein Meilenstein. Damit habe ich mich über einen langen Zeitraum hinweg intensiv beschäftigt: Was ist pferdegerechter Umgang? Alles baut auf der Natur des Pferdes auf. Alles findet in der Welt des Pferdes statt. In der Herde gibt es feste Rituale. Das sind quasi die Spielregeln nach denen gespielt wird. Tatsächlich müssen wir Menschen erst lernen nach ihnen zu spielen, wenn wir eine echte Partnerschaft erreichen wollen. Das ist wie so ein Fremdsprachenkurs, bei dem aber gleichzeitig größter Wert auf das Begreifen der kulturellen Identität gelegt wird. Es ist wichtig, die Bedeutung der Naturgegebenheiten des Pferdes bewußt zu kennen. Alles, aber auch wirklich alles, leitet sich daraus ab! Das heißt für uns, dass wir immer in der logischen Reihe bleiben müssen, sonst ist das Verhalten für das Pferd nicht schlüssig. Für uns Menschen übrigens auch nicht. Es ist die universelle Sprache der sozialen Wesen die uns verbindet. Allerdings können kulturelle Fettnäpfchen fatale Folgen haben für die Völkerverständigung! Die logische Reihe beginnt mit diesen drei Naturgegebenheiten: Das Pferd ist ein Herdentier. Wie beim Menschen definiert sich die Rolle innerhalb der Gemeinschaft auch wesentlich über Nähe und Distanz. Die Räume der Chefs dürfen nur auf Anfrage betreten werden. Leithengst und Leitstute übernehmen gemeinsam Führung in einer vorwiegend hierarchischen Struktur. Beide haben unterschiedliche Führungsaufgaben inne, die dem Wohl der Herde dienen und somit das Überleben aller sichern. Das Pferd ist ein Fluchttier. All seine Sinne und der gesamte Körperbau ist darauf ausgelegt. Dabei ist die Rangordnung eine Überlebensstrategie. Beim Pferd ist es die ewige Frage: Ranghöher oder Rangniedriger? Im Fall einer Gefahr wird sich der Rangniedrige immer am Ranghohen orientieren. Er tut was dieser tut. Flieht oder bleibt. Das ist in diesem Moment überlebenswichtig. Deshalb ist der gesamte Respekt und die ungeteilte Aufmerksamkeit dem Ranghohen sicher. Aufgrund der Verantwortung die er übernimmt, geniesst der Ranghohe das Privileg des Vertrauens, Respekts, des Vorrechts beim Futter, der „Herrschaft über den Raum“ und der Fortpflanzung. Aber auch der Rangniedrige ist kein Verlierertyp. Er bekommt Sicherheit und Führung in entscheidenden Situationen und sichert so sein Überleben. Für uns Menschen ist es deshalb im Umgang mit dem Pferd sehr wichtig einen höheren Rang als das Pferd einzunehmen, denn sonst kann es schnell gefährlich werden. 600 kg sind nun mal mehr als 60 kg. Es ist nur die Frage mit welcher Haltung wir diese Führung leben. Das Pferd ist ein Lauftier. So ein Pferd ist ausgelegt für die langsame Nahrungsaufnahme über große Strecken. Es hat ein hohes Bedürfnis an Bewegung. Bewegung ist essentiell. Was ist menschengerechter Umgang? Die drei Grundannahmen von Carl Rogers bilden die Basis. Diese Haltungen sind für einen „menschengerechten“ Umgang sehr wichtig und nicht verhandelbar! Unbedingte Wertschätzung. Jeder Mensch ist es wert in seiner Person wertgeschätzt zu werden. Ich muss die Sache die er tut nicht für gut befinden, die Person an sich bleibt wertvoll. Anerkennen, dass jeder seine eigene Landkarte der persönlichen Wirklichkeit zeichnet. Also: Erst mal den Menschen sehen. Jeder Mensch hat seine eigene Prägung. Ich muss mich fragen: In welchen Strukturen bin ich aufgewachsen. Welchen Mustern folge ich? Wieviel soziale Kompetenz bringe ich mit? Empathie. Empathie ist die Eigenschaft sich auf jemanden einzulassen. Ein altes Indiandersprichwort sagt, man „solle sich in den Mokassins des anderen bewegen“. Den blöden Gedanken, dass Männer die schlechteren Empathen sein könnten, weil es unglaublich schwierig ist sich in den Highheels der Damenwelt fortzubewegen, schiebe ich gleich wieder auf die Seite. Ich bin ja auch kein Absatzträger. Es ist ja nur ein Bild. Die Grundlage für einen emphatischen Umgang ist die: Wir sind alle soziale Wesen, wir streben nach Liebe und Harmonie. Das ist unsere Schnittstelle. Nicht polarisieren, sondern verbinden schafft den Zugang zur jeweiligen Welt des anderen. Echtheit (Kongruenz). Ehrlich sein. Integrität. Grenzen aufzeigen. So dem Wohl von Mensch (und Pferd) dienen. Ich gebe mein Bestes rein: meine Fachlichkeit und meine Menschlichkeit. Ich korrigiere, aber ich kritisiere nicht. Ich bin sachlich und nicht persönlich. Das Gefühl des Gegenübers soll immer sein: Ich fühle mich in jeder Lebenslage gut aufgehoben. In dieser Haltung müssen wir Menschen uns in einem Gespräch aufeinander einschwingen, sozusagen Kalibrieren. Wo Pferd und Mensch zusammenkommen …sollte es darum gehen, eine natürliche, pferdegerechte und partnerschaftliche Beziehung aufzubauen. Dabei ist meine innere Haltung bestimmend: Liebe ist niemals Funktion. Aufrichtige Liebe ist bedingungslos. "Ich schenke Dir Liebe, wenn du dieses oder jenes tust..." ... ist keine echte Liebe. Es geht um nichts. Wirklich nicht. Unser Überleben hängt nicht davon ab, ob unser Pferd die Quadratvolte hoch 10 beherrscht. So why worry? Qualität vor Quantität. 10 min Zeit mit echter Beziehungs-Qualität können jede Stunde in reiner Funktion locker aufwiegen. Eine Partnerschaft bedeutet, dass die Bedürfnisse des Pferdes die gleiche Berechtigung haben wie die Bedürfnisse des Menschen. Nur so kann eine gleichwertige, soziale Beziehung entstehen, die von Kooperation bestimmt ist. Allerdings kann diese Partnerschaft niemals gleichrangig sein. Das ergibt sich aus dem natürlichen Verhalten der Pferde. Am Anfang steht immer die Begegnung. Und die Begegnung beginnt, wer hätte es gedacht, auch tatsächlich im Moment der Begegnung. Für mich als Trainer/Begleiter ist die zentrale Frage jeder Begegnung: Womit diene ich diesem Menschen und diesem Pferd in diesem Moment am meisten? Und Geduld!!! Dies ist keine Technik, die selbst gewonnenen Erkenntnisse müssen langsam in uns Menschen einsickern. Es geht um die innere Arbeit des Menschen. Der Mensch muss verinnerlichen, genau so wie das Pferd abkaut, wenn es etwas verarbeitet. In der Wissensvermittlung geht es darum, so zu vermitteln, dass es beim anderen ankommt. Es gilt die Inhalte passend aufzubereiten und mit einer Struktur zu versehen. Immer beachten: Was ist die logische Reihe!! Wenn ich die Reihenfolge beachte, dann wird es schlüssig. In einer Einheit spielt natürlich auch die Zeit eine Rolle. Die Zeit für den Menschen (Klienten) gewinnbringend zu gestalten ist kein Problem. Trockenübungen, Vor- und Nachgespräche, Videoanalyse usw. sind nur einige Möglichkeiten, um uns Menschen uns selbst und die Welt der Pferde näher zu bringen. Die Zeit am Pferd sollte immer so gestaltet werden, dass sie auch einen Gewinn fürs Pferd mitbringt. Bei längeren Prozessen ist eine Dokumentation der Prozesse sinnvoll. Die „Lorbeeren“ wollen beachtet werden. Also Entwicklung sichtbar machen! Lasst uns loslegen.